Künstliche Intelligenz revolutioniert das Rechtswesen

 

Künstliche Intelligenz revolutioniert das Rechtswesen

Können KI-Systeme Gerichte entlasten und gerechtere Urteile ermöglichen?

Das deutsche Justizsystem steht unter Druck: Die Zahl der offenen Strafverfahren stieg zwischen 2021 und 2023 um fast 30 Prozent. Gleichzeitig wird in den kommenden Jahren ein erheblicher Teil der Richter und Staatsanwälte in den Ruhestand treten. In dieser angespannten Lage bieten KI-Systeme ein vielversprechendes Potenzial, um die Gerichte zu entlasten und Verfahren effizienter und gerechter zu gestalten. Doch es gibt auch technologische und ethische Herausforderungen.

KI als Helfer bei der juristischen Recherche und Dokumentation

Frauke Rostalski, Professorin für Strafrecht an der Universität zu Köln und Mitglied des Deutschen Ethikrates, sieht den Nutzen von KI im Rechtswesen besonders in der Unterstützung bei zeitraubenden Aufgaben. Kanzleien und Anwälte profitieren bereits heute von KI-Systemen, die große Mengen an Dokumenten durchforsten und zusammenfassen können. Für Privatpersonen eröffnet sich zudem die Möglichkeit, KI-basierte Plattformen zur Rechtsberatung zu nutzen, was den Zugang zum Recht erleichtert.

Doch trotz dieser Fortschritte bestehen weiterhin Schwächen. Die Fehleranfälligkeit der KI-Systeme führt häufig zu sogenannten „Halluzinationen“, also fehlerhaften Ergebnissen, die in juristischen Kontexten gravierende Folgen haben könnten. Zudem fehlt es an ausreichenden und qualitativ hochwertigen Daten, um die Systeme zuverlässig zu trainieren, was Diskriminierungen oder Fehlentscheidungen begünstigen könnte.

Gerichte entlasten, aber nicht ersetzen

Ein besonders spannendes Feld für den Einsatz von KI-Systemen ist die Strafzumessung. Mithilfe von sogenannten Strafzumessungsdatenbanken könnten Richter auf eine Vielzahl früherer Urteile zugreifen, diese miteinander vergleichen und so fundiertere Entscheidungen treffen. Dies könnte zu gerechteren Urteilen führen, da die KI eine umfassendere Analyse der Rechtslage ermöglicht.

Doch die Vision von „Robo-Richtern“, die komplett eigenständig Urteile fällen, bleibt in weiter Ferne. Rostalski warnt davor, menschliche Entscheidungen in solch sensiblen Bereichen vollständig an Maschinen zu delegieren. Verfassungsrechtliche Bedenken stehen dem entgegen, insbesondere das Grundrecht auf den gesetzlichen Richter. Zudem ist das menschliche Element in der Rechtsprechung unerlässlich, um Fehlerpotenziale zu minimieren und das Vertrauen in die Justiz zu wahren.

Vertrauen durch Transparenz und Regulierung

Ein entscheidender Faktor für die Akzeptanz von KI im Rechtswesen ist Transparenz. Nur wenn KI-Systeme nachvollziehbare Entscheidungen treffen und ihre Vorschläge ausreichend begründet werden, kann das Vertrauen der Bürger in diese Technologie gestärkt werden. Es ist unerlässlich, dass der Einsatz von KI durch klare Gesetze und Normen geregelt wird. Gleichzeitig müssen KI-Systeme zertifiziert werden, um ihre Qualität und Sicherheit zu gewährleisten.

Rostalski betont, dass die Unabhängigkeit der Justiz auch bei der Einführung von KI-Systemen gewahrt bleiben muss. Eine Abhängigkeit von privatwirtschaftlichen Anbietern wäre problematisch. Stattdessen sollte der Staat eigene KI-Systeme entwickeln, die den Gewaltenteilungsgrundsatz respektieren.

Fazit: KI kann Gerichte entlasten, aber menschliche Richter nicht ersetzen

Künstliche Intelligenz bietet enormes Potenzial, das Justizsystem zu entlasten und Prozesse zu beschleunigen. Gerade in der Strafzumessung könnte KI zu gerechteren Urteilen beitragen, indem sie Richter bei der Entscheidungsfindung unterstützt. Doch der vollständige Ersatz menschlicher Richter durch KI-Systeme ist weder technisch realistisch noch verfassungsrechtlich zulässig. Vertrauen in eine unabhängige und transparente Justiz bleibt die Grundlage für eine funktionierende Demokratie.

Quelle: IDW