Die deutsche Finanzverwaltung steht vor einem ernsthaften Problem: Veraltete Software gefährdet zunehmend die Arbeit der Finanzämter. Der Bundesrechnungshof übt erneut scharfe Kritik an den massiven IT-Mängeln.
Kritik des Bundesrechnungshofs
Laut dem Jahresbericht 2024 des Bundesrechnungshofs stoßen die deutschen Finanzämter bei der Nutzung der über 20 Jahre alten Spezialsoftware BpA-Euro auf erhebliche Schwierigkeiten. Rund 12.400 Beschäftigte prüfen deutschlandweit die Besteuerung von Unternehmen mithilfe dieser Software, die inzwischen weder technisch noch fachlich den Anforderungen entspricht.
Eine Lösung ist bisher nicht in Sicht: Ein Projekt zur Modernisierung der Software scheiterte bereits 2022. Eine Ablösung von BpA-Euro ist frühestens für 2027 vorgesehen, was bedeutet, dass die Betriebsprüfer noch mindestens drei Jahre auf eine neue Lösung warten müssen.
Milliardenverluste und fehlendes Notfallkonzept
Der Bundesrechnungshof bemängelt zudem das Fehlen eines funktionierenden Notfallkonzepts. Das im Frühjahr 2024 vorgelegte Dokument des Bundesfinanzministeriums erfülle die grundlegenden Anforderungen nicht. Wesentliche Bestandteile wie Risikoanalysen, Schadensprognosen oder Pläne zur Geschäftskontinuität und Wiederherstellung seien nicht enthalten.
Diese Versäumnisse bergen erhebliche Risiken: Die steigende Fehleranfälligkeit der Software gefährdet die Arbeit der Betriebsprüfung und könnte im Ernstfall gravierende finanzielle Schäden nach sich ziehen. Laut Bericht ist es dem Bundesfinanzministerium bisher nicht möglich, diese Schäden zu beziffern.
Dringende Forderungen
Der Rechnungshof fordert, die Betriebsprüfung müsse dringend mit neuer Software ausgestattet werden. Bis dahin sei ein tragfähiges Notfallkonzept unerlässlich. Allerdings wird die Verantwortung zwischen dem Bundesministerium der Finanzen, den Bundesländern und dem Projekt KONSENS hin- und hergeschoben.
KONSENS: Ein gescheitertes IT-Megaprojekt
Das Projekt KONSENS („Koordinierte neue Software-Entwicklung der Steuerverwaltung“) sollte ursprünglich eine einheitliche Software für alle Finanzämter schaffen. Trotz eines 2007 geschlossenen Verwaltungsabkommens und des KONSENS-Gesetzes von 2017 konnte das Vorhaben bislang keine greifbaren Erfolge vorweisen. Immer wieder wurden Organisationsstrukturen angepasst, ohne Fortschritte zu erzielen.
Die Kosten des Projekts belaufen sich nach 15 Jahren auf 1,6 Milliarden Euro – ohne nennenswerte Ergebnisse. Kritiker bezweifeln, dass die bis 2026 eingeplanten zusätzlichen 1,26 Milliarden Euro eine Wende herbeiführen können. Beobachter gehen davon aus, dass sich der Abschluss des Projekts bis 2029 verzögern könnte.
Kritik an Planung und Umsetzung
Die Planung und operative Steuerung von KONSENS wurden in der Vergangenheit vom Bundesrechnungshof als unzureichend und unkoordiniert eingestuft. Immer wieder seien Probleme und Verzögerungen vertuscht worden. Dies wirft kein gutes Licht auf ein System, das für die Verwaltung eines Steueraufkommens von rund 700 Milliarden Euro verantwortlich ist.
Kay Scheller, Präsident des Bundesrechnungshofs, mahnte bereits in der Vergangenheit: „Gerade in Krisenzeiten mit erheblichen zusätzlichen Ausgaben muss der Bund seine Steuereinnahmen sichern.“
Fazit
Die IT-Situation in den deutschen Finanzämtern spitzt sich zu. Ohne neue Software und ein belastbares Notfallkonzept könnte die finanzielle Stabilität des Steuerwesens auf dem Spiel stehen. Die bisherigen Bemühungen, eine einheitliche Lösung zu schaffen, scheinen vorerst gescheitert.