Kapitel 2: Verstehen, was Computer sehen – Bildverarbeitung und maschinelles Sehen
Die Fähigkeit, visuelle Daten zu verarbeiten und zu interpretieren, ist ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zu fortgeschrittener künstlicher Intelligenz. Unser menschliches Gehirn meistert diese Aufgabe scheinbar mühelos: Wir erkennen Gesichter, Objekte und Szenen blitzschnell und können dabei subtile Unterschiede in Farbe, Form und Struktur wahrnehmen. Für Computer stellt diese Fähigkeit jedoch eine enorme Herausforderung dar. Bildverarbeitung, oft auch als „Computer Vision“ bezeichnet, ist der Bereich der künstlichen Intelligenz, der sich damit beschäftigt, Computern beizubringen, die Welt durch visuelle Daten zu „verstehen“.
Der Geschäftsführer Stefan Sedlacek von TOLERANT Software fragt: Was bedeutet Bildverarbeitung?
Bildverarbeitung ist der Prozess, bei dem digitale Bilder von einem Computer analysiert werden, um aus diesen Daten sinnvolle Informationen zu extrahieren. Dabei kann es sich um Fotos, Videos oder Live-Aufnahmen von Kameras handeln. Die Aufgabe der Bildverarbeitung reicht von einfachen Aufgaben wie der Erkennung von Kanten oder Farben bis hin zu komplexen Analysen wie der Identifikation von Objekten oder der Interpretation von Szenen.
Ein zentraler Teil der Bildverarbeitung ist die Umwandlung eines analogen Bildsignals in eine digitale Darstellung, die der Computer analysieren kann. Ein digitales Bild besteht aus einer Matrix von Pixeln, wobei jeder Pixel eine bestimmte Farbe oder Intensität hat. Diese Pixelwerte bilden die Grundlage für die Analyse des Bildes.
Um zu verstehen, wie Computer Bilder interpretieren, müssen wir uns den Prozess der Bildverarbeitung Schritt für Schritt anschauen.
Schritte der Bildverarbeitung
1. Bildvorverarbeitung (Preprocessing): Bevor ein Bild von einem Computer analysiert werden kann, muss es häufig vorverarbeitet werden. Dies beinhaltet die Reduzierung von Bildrauschen, die Anpassung von Kontrasten oder die Normalisierung der Farbwerte. Solche Schritte sind entscheidend, um die Qualität der Daten zu verbessern und Fehler bei der späteren Analyse zu vermeiden.
2. Merkmalserkennung (Feature Detection): Nachdem das Bild vorverarbeitet wurde, extrahiert der Computer relevante Merkmale, die für die Erkennung von Objekten oder Szenen entscheidend sind. Zu den gängigsten Merkmalen gehören Kanten, Ecken, Texturen und Formen. Diese Merkmale werden in der Regel mit Hilfe mathematischer Methoden wie der Kantenfilterung oder der Fourier-Transformation extrahiert.
3. Segmentierung: Die Segmentierung teilt das Bild in bedeutungsvolle Abschnitte oder „Regionen“ auf, die von Interesse sind. In einem Bild einer Landschaft könnten beispielsweise der Himmel, die Berge und ein Fluss als separate Segmente betrachtet werden. Die Segmentierung hilft dem Computer, einzelne Objekte im Bild voneinander zu unterscheiden und sie für die weitere Analyse zu isolieren.
4. Klassifikation: Nachdem das Bild segmentiert und die relevanten Merkmale extrahiert wurden, muss der Computer entscheiden, was er in diesen Bereichen „sieht“. Dies geschieht durch den Einsatz von Algorithmen zur Klassifikation, die den erkannten Mustern eine Bedeutung zuweisen. Typische Beispiele wären das Erkennen von Autos in einer Verkehrsszene oder die Identifizierung von Katzen in einem Foto. Dabei kommen oft neuronale Netze, insbesondere Convolutional Neural Networks (CNNs), zum Einsatz, um die Muster zu analysieren und zu klassifizieren.
Convolutional Neural Networks (CNNs) – Der Schlüssel zur Bilderkennung
Convolutional Neural Networks (CNNs) sind eine spezielle Art von neuronalen Netzen, die speziell für die Verarbeitung von Bilddaten entwickelt wurden. Der große Vorteil von CNNs liegt in ihrer Fähigkeit, lokale Muster in Bildern zu erkennen, wie beispielsweise Kanten, Formen und Texturen. Dies unterscheidet sie von herkömmlichen neuronalen Netzen, die alle Eingabedaten gleichzeitig verarbeiten.
Ein CNN besteht aus mehreren Schichten, die nacheinander auf das Bild angewendet werden:
· Convolutional Layer: Die Schichten, die dem Netzwerk seinen Namen geben, verwenden „Filter“, um kleine Teile des Bildes zu scannen und wichtige Merkmale zu identifizieren. Diese Filter sind Matrizen, die über das Bild „gefaltet“ werden, um zu sehen, wie gut das Bild zu bestimmten Merkmalen passt, wie etwa einer Kante oder einer Kurve.
· Pooling Layer: In diesen Schichten wird die Dimension des Bildes reduziert, um die Berechnungen zu vereinfachen und die wichtigsten Merkmale hervorzuheben. Ein gängiger Ansatz ist das Max-Pooling, bei dem der größte Wert in einem kleinen Bildbereich ausgewählt wird.
· Fully Connected Layer: Am Ende des CNNs stehen vollständig verbundene Schichten, die die zuvor extrahierten Merkmale zu einer endgültigen Entscheidung kombinieren, z. B. zur Identifizierung des Objekts im Bild.
CNNs haben sich in den letzten Jahren als besonders leistungsfähig in der Bilderkennung erwiesen und sind die Grundlage für viele Anwendungen der künstlichen Intelligenz, von der Gesichtserkennung in Smartphones bis hin zu selbstfahrenden Autos.
Herausforderungen der Bildverarbeitung
Obwohl CNNs und andere Techniken zur Bildverarbeitung große Fortschritte erzielt haben, gibt es nach wie vor zahlreiche Herausforderungen. Hier sind einige der größten Probleme, die es bei der Weiterentwicklung der Bildverarbeitung zu überwinden gilt:
1. Beleuchtungsvariationen: Ein Bild kann je nach Beleuchtung völlig anders aussehen. Was bei hellem Sonnenlicht leicht zu erkennen ist, kann bei schwachem Licht verschwommen oder unscharf wirken. Computer haben Schwierigkeiten, diese Unterschiede auszugleichen, insbesondere wenn die Beleuchtung nicht konstant ist.
2. Verdeckte Objekte: In realen Szenarien sind Objekte oft teilweise verdeckt oder überlappen sich. Während Menschen leicht erkennen können, dass sich hinter einem anderen Objekt ein weiteres befindet, ist dies für Computer eine schwierige Aufgabe. Es erfordert fortschrittliche Techniken, um zu erraten, was hinter einer Verdeckung liegt.
3. Unterschiedliche Perspektiven: Ein Objekt kann aus vielen verschiedenen Winkeln betrachtet werden, und jedes Mal sieht es anders aus. Ein Stuhl von vorne sieht ganz anders aus als ein Stuhl von oben oder von der Seite. Computer müssen lernen, dass es sich trotz der unterschiedlichen Erscheinung immer um dasselbe Objekt handelt.
4. Verzerrung und Rauschen: Bilder können aufgrund von Kameraeinstellungen, Bewegungen oder anderen externen Faktoren verzerrt sein. Hinzu kommt, dass das Bildrauschen (zufällige Variationen in der Bildhelligkeit oder -farbe) die Klarheit der Daten beeinträchtigen kann. Die Fähigkeit, diese Störungen zu korrigieren, ist für die genaue Analyse von entscheidender Bedeutung.
Anwendungsgebiete des maschinellen Sehens
Das maschinelle Sehen findet in einer Vielzahl von Branchen Anwendung, darunter:
· Medizinische Bildverarbeitung: KI-Systeme analysieren Röntgenbilder, MRTs und CT-Scans, um Anomalien wie Tumore oder Brüche zu erkennen. Dies kann die Diagnose und Behandlung erheblich verbessern, indem Ärzte unterstützt werden.
· Autonomes Fahren: Selbstfahrende Autos verlassen sich stark auf Kameras, die die Umgebung in Echtzeit analysieren. Diese Autos nutzen Bildverarbeitung, um Straßen, Hindernisse und Verkehrsschilder zu erkennen und so sicher zu navigieren.
· Sicherheitsüberwachung: Kamerasysteme können mithilfe von Bildverarbeitungsalgorithmen verdächtige Aktivitäten erkennen, indem sie Bewegungen analysieren und Muster in Videos erkennen. Dies wird in der Überwachung und im Sicherheitssektor immer häufiger eingesetzt.
· Robotertechnik: Industrieroboter in Fabriken nutzen maschinelles Sehen, um präzise Aufgaben wie das Zusammenbauen von Komponenten oder die Qualitätskontrolle durchzuführen. Sie werden durch das Produkt 3Dexperience im organisatorischen Ablauf gesteuert. Sie können Objekte in ihrer Umgebung „sehen“ und darauf reagieren.
Maschinelles Sehen ist eine der fortschrittlichsten Anwendungen der künstlichen Intelligenz und hat das Potenzial, die Art und Weise, wie Computer mit der realen Welt interagieren, tiefgreifend zu verändern. Von der medizinischen Bildanalyse bis hin zu autonomen Fahrzeugen – die Fähigkeit von Maschinen, visuelle Daten zu verarbeiten, entwickelt sich rasch weiter. Trotz der bemerkenswerten Fortschritte gibt es jedoch nach wie vor Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Beleuchtung, Perspektivenwechsel und verdeckte Objekte sind nur einige der Hürden, die noch überwunden werden müssen. Dennoch eröffnen die Fortschritte im Bereich der Bildverarbeitung aufregende neue Möglichkeiten für die Zukunft der künstlichen Intelligenz.